
In den frühen Morgenstunden gegen halb 5 fand Jan die Stadt am Schönsten. Es hatte eine beruhigende, fast poetische Wirkung auf ihn, aus dem Fenster seines Sitzplatzes im Nachtbus die unwirklich erscheinenden Häuserfassaden und Neonlichter der schlafenden Großstadt vorbeiziehen zu sehen, während er dem monotonen Fahrgeräusch lauschte und seine heiße Stirn an der Scheibe kühlte. Er war durchgeschwitzt bis auf die Unterhose, heiser, mit Restalkohol im Blut und vollkommen erschöpft, alleine, aber für diesen wunderschönen Moment mit sich selbst und der Welt völlig im Einklang. Draußen prasselten die schweren Regentropfen auf den Asphalt. Es war der 24. Dezember, Heiligabend, und diesmal sollte alles anders werden. Zum ersten mal in seinem Leben hatte er Heiligabend alleine verbracht. Es war eine bewusste Entscheidung. Mit jedem Jahr ertrug er diese scheinheilige Heimeligkeit der Familie, die angestauten Aggressionen, die vorgeschobene Höflichkeit und die völlige Sinnlosigkeit der oberflächlichen Gespräche ein Stückchen weniger. Seine Eltern waren zwar enttäuscht, dass er dieses Jahr in Hamburg bleiben und nicht über die Feiertage nach Hause fahren würde, aber sie hatten die Vermutung, dass er eine Freundin gefunden hatte und protestierten deshalb nicht allzu lange. Sie lagen vollkommen falsch: Jan war Single, und er hatte den Abend damit zugebracht, sich zu betrinken und in einem ziemlich schäbigen Club zu tanzen, mal ganz frei von der Seele weg, ohne Freunde, ohne Gespräche, einfach nur er selbst, die Musik, die Lichter. Es war ein unglaubliches Gefühl, ein Geschmack seltener Freiheit.
Während er so da saß und in die Nacht starrte, riss ihn auf einmal ein süßlicher, derber Duft aus seinen Gedanken. Er sah auf und wäre fast aus dem Sitz gefallen .. Obwohl der Bus außerdem völlig leer war, war er wohl so in seinen Gedanken vertieft, dass er überhaupt nicht gemerkt hatte, dass ihm gegenüber eine junge Frau Platz genommen hatte. Wenn es stimmt, dass der erste Eindruck zählt, dann war das hier gerade vollkommen verrückt. Er schätzte das Mädchen auf circa 25 und auf circa 1,5 Promille. Ihre langen, braunen Haare hingen ihr verklebt in Strähnen im Gesicht. Sie trug ein bauchfreies, weit ausgeschnittenes Top. Die nackte Haut am Hals, an den Brüsten, am Bauch war bedeckt von einem hauchzarten Schweißfilm, wie Morgentau auf Gras. Die Beine hatte sie lässig bis obszön ein wenig geöffnet, und ihre hautenge schwarze Leggins verschwand zwischen den Schenkeln in einem sichtbar feuchten Schlitz. So wie es roch hatte sie gerade einen fahren lassen, und wenn da nicht diese intelligenten, wachen dunklen Augen gewesen wären, die einen kompletten Kontrast zum restlichen Erscheinungsbild formten und ihn aufmerksam musterten, dann hätte sie einen ziemlich obszönen Eindruck hinterlassen. So wirkte es irgendwie nach gewollt Scheißegal. So, als hätte sie einen ganz ähnlichen Abend wie Jan hinter sich und .. kann es sein, dass er Sie in dem Club schon gesehen hatte? Etwas an ihr wirkte vertraut.
"Wie lange willst du mir eigentlich noch auf die Pussy starren?" Ihre Stimme wirkte kratzig, frech. Jan musste grinsen und ging zum Gegenangriff über - Bloß nicht provozieren lassen! "Hast du gefurzt? Hier stinkts nach Kacke". Die Antwort kam schlagfertig "Scheint dich ja nicht davon abzuhalten, mich mit den Blicken auszuziehen". Beide sahen sich einen langen Augenblick an und mussten dann gleichzeitig loslachen. Das Eis war gebrochen. Das Mädchen stellte sich als Sarah vor, und nachdem sie ein paar weitere Sätze gewechselt hatten wusste Jan, dass sie wie er auch an der nächsten Haltestelle raus musste, tatsächlich im gleichen Club gefeiert hatte und ebenso wie er keine Lust auf den immer gleichen Familienzirkus hatte. Sie stiegen gemeinsam aus und als der Bus in die Nacht verschwunden war lächelte Sarah ihn an und sagte: "Tut mir übrigens leid wegen dem Pups eben. Das war echt keine Absicht. Wenn ich so viel getrunken und getanzt habe wie heute, dann schlägt mir das oft auf den Darm und ich muss echt heftig furzen und scheißen.. Die meisten Typen schreckt das leider immer ab. Ich wohne gleich da vorne um die Ecke. Willst du noch mitkommen und weiter feiern?" Jan wollte nichts lieber als das.