Weiter mit B
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„Es tut mir wirklich leid“, sagte die Frau mit sanfter Stimme. „Aber aus unternehmensinternen Gründen dürfen wir Kunden leider nicht auf die Mitarbeitertoiletten lassen.“
Sophia fühlte, wie ihr Magen sich zusammenzog. Das war es. Ihre letzte Hoffnung, ihr letzter Strohhalm – einfach fort. Ein unangenehmes Prickeln breitete sich auf ihrer Haut aus, ihr Kopf wurde heiß.
„Okay… ja… danke trotzdem“, murmelte sie mit rauer Stimme, wandte sich abrupt ab und stolperte einige Schritte in Richtung der Kleiderständer. Sie fühlte sich wie eine Marionette, deren Fäden durchschnitten worden waren – orientierungslos, taumelnd, völlig ausgeliefert.
Ihre Gedanken waren eine einzige, chaotische Flut aus Panik
Sie war zu weit gegangen, hatte ihre Grenzen überschritten. Ihre Blase schmerzte, ein ständiger, pulsierender Druck, der mit jeder Sekunde unerträglicher wurde.
Sie hätte vor fünf Minuten eine Toilette gebraucht. Jetzt war es zu spät. Sophia zwang sich, ruhig zu atmen, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Sie stand mitten zwischen zwei Kleiderständern, verborgen zwischen sanft schwingenden Stoffbahnen, und kämpfte gegen das Unvermeidliche an.
Und dann…
Ein erstes, warmes Prickeln. Sie sog scharf die Luft ein und presste ihre Oberschenkel noch fester zusammen. Ihre Finger bohrten sich verzweifelt in den Stoff ihrer Jeans. Aber es half nichts. Ein Tropfen. Dann noch einer.
Ein feiner Strahl sickerte durch den Stoff ihrer Unterwäsche, breitet sich aus, suchte sich seinen Weg nach unten. Panik stieg in ihr auf, sie versuchte, sich noch fester zu beherrschen – doch ihr Körper hatte längst entschieden. Ein unaufhaltsames Zittern lief durch ihre Beine.
Und dann brach der Damm. Ein Schauer durchfuhr sie, als ein tosender, warmer Wasserfall ihren Widerstand endgültig durchbrach. Sie spürte, wie es in einer Welle in ihre Jeans floss, wie der Stoff sich in Sekundenschnelle mit Nässe vollsog.
Der Fleck breitete sich rasend schnell aus, erst handflächengroß, dann dunkler, schwerer. Ihre Beine wurden warm, dann feucht, dann nass. Sie hörte es plätschern.
Ihre Schuhe füllten sich mit Flüssigkeit, die Nässe sickerte in ihre Socken, lief an ihren Waden hinab. Der Boden unter ihr wurde dunkler, als eine Pfütze langsam größer und größer wurde.
Und mitten in all dem Chaos, mitten in all dieser entsetzlichen Peinlichkeit – fühlte sie etwas, das fast wie Erleichterung war.Es war vorbei. Nach all dem Kampf, nach all der Anspannung… ließ sie einfach los.
Für einen Moment stand sie da, ihre Beine leicht gespreizt, die Augen geschlossen, während ihr Körper sich selbst von dem Druck befreite, der sie fast zerrissen hatte. Es tat so gut.
Doch plötzlich wurde ihr bewusst, was gerade passiert war.
Sophia riss die Augen auf. Ihr Atem stockte. Das leise Plätschern war verstummt – und zurück blieb nur eine schreckliche, kalte Realität.
Sie stand da. In einer riesigen Pfütze. Mit durchnässter Jeans, klitschnassen Schuhen. Was habe ich getan? Ihr Herz raste. Sie wagte kaum zu atmen. Hatte jemand sie gesehen?
Langsam hob sie den Kopf, ließ ihren Blick durch das Kaufhaus gleiten. Ihr Magen zog sich zusammen. Die Verkäuferin hatte sich abgewandt, beschäftigt mit der nächsten Kundin. Andere Leute schienen in ihre eigene Welt versunken zu sein. Keiner hatte es bemerkt. Noch nicht. Die Kleiderständer boten ausreichend Sichtschutz.
Sophia wusste, dass sie nicht länger hier bleiben konnte. Sie musste raus. Sofort. Ihre Beine fühlten sich schwer an, als sie langsam aus ihrem Versteck zwischen den Kleiderständern hervortrat. Mit jedem Schritt schmatzten ihre nassen Schuhe leise auf dem Boden. Sie biss die Zähne zusammen, ignorierte das kalte Gewicht der durchnässten Jeans auf ihrer Haut und eilte in Richtung Ausgang.Nicht stehen bleiben. Einfach weitergehen.
Als sie die großen Glastüren erreichte, die sich mit einem sanften Zischen öffneten, traf sie die kühle Abendluft wie eine Welle. Sie sog hastig Luft ein – doch die Erleichterung, die sie erwartet hatte, blieb aus. Sie war noch nicht sicher.
Sophia zwang sich, ruhig zu bleiben. Sie zog ihre Jacke ein Stück weiter nach unten, als könnte sie so das Offensichtliche verbergen. Doch sie wusste es besser. Ihre Jeans war völlig durchnässt, nahezu unübersehbar.
Und die Leute bemerkten es.
Die neugierigen Blicke, die verstohlenen Seitenblicke, das leise Getuschel, als sie mit schnellen Schritten an Passanten vorbeiging. Ein älteres Paar sah sie an, dann schüttelte die Frau bedauernd den Kopf. Ein paar Teenager hinter ihr kicherten leise. Es ist bald vorbei. Einfach weitergehen. Sophia biss sich auf die Lippe und beschleunigte ihr Tempo.
Mit gesenktem Kopf lief sie durch die Straßen, ignorierte die brennende Scham in ihrem Bauch, ignorierte das unangenehme Gefühl der kalten, nassen Jeans auf ihrer Haut. Sie musste nach Hause.
Der Weg zur S-Bahnstation zog sich wie ein endloser Albtraum, doch irgendwann erreichte sie endlich den Bahnsteig. Der Zug fuhr gerade ein, und sie sprang in den ersten Waggon, den sie erreichen konnte. Mit einem erschöpften Seufzen ließ sie sich auf einen der Sitze in der Ecke sinken. Sie zog ihre Jacke enger um sich, als könnte sie sich darin verstecken.
Sie war fast zuhause. Sie lehnte ihren Kopf an das kühle Fenster und schwor sich – egal, was sie in ihrem Leben noch erleben würde – eines würde ihr nie wieder passieren.
Nie wieder.
THE END
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Hat richtig Spaß gemacht mit euch, herzlichen Dank!
