Im Stau mit Sarah

[Jan 31]

Sarah saß neben mir auf dem Beifahrersitz und strich sich eine feuchte Strähne ihrer haselnussbraunen Haare aus dem Gesicht. Obwohl es bereits auf 18 Uhr zuging war es immer noch sehr heiß im Auto, was nicht zuletzt an meiner defekten Klimaanlage lag. Der alte Polo war ein wenig in die Jahre gekommen und hätte mal wieder eine Generalüberholung notwendig gehabt, aber dafür fehlte mir zur Zeit das notwendige Kleingeld. Kein Wunder, schließlich musste ich einen Umzug finanzieren, und auch der vor uns liegende Urlaub würde noch ein paar Euro kosten. Wir standen bereits seit einer Stunde im Stau, hier mitten auf dem Brennerpass, und ein Blick aufs Navi verriet, dass der Verkehr sich erst in einer guten weiteren Stunde wieder normalisieren würde. Geschätzte Ankunftszeit: 21:34 Uhr. Immerhin waren wir bis hierher gut durchgekommen, und der Ausblick auf das Bergpanorama vor uns machte einiges wett.

"Ich bin froh, dass wir trotzdem zusammen fahren" sagte Sarah und riss mich aus meinen Gedanken. Ich nickte zur Bestätigung. Eigentlich hatten wir diese Reise vor einem halben Jahr noch anders geplant. Damals war Sarah noch mit Thomas zusammen, und ich mit Janine. Wir vier waren bereits seit vielen Jahren eng befreundet, einmal jährlich fuhren wir zusammen für drei Wochen in den Sommerurlaub, meistens mit zwei Doppelzimmern oder einer großen Ferienwohnung. Doch dann kam Corona, und damit veränderte sich nicht nur die Welt im Großen, sondern auch im kleinen, ganz persönlichen. Zuerst trennte sich Sarah von Thomas, und irgendwie gab das auch der Beziehung zwischen Janine und mir, in der es bereits seit einiger Zeit kriselte, den letzten Todesstoß. Nach einigem Hin- und Her, viel Tränen und langen Nächten wurden die gemeinsamen Wohnungen aufgelöst, und mit einer neuen Umgebung ging es dann auch emotional wieder bergauf. Als hätte sich die Pandemie mit unserer privaten Situation abgesprochen wurden passend dazu auch die Corona-Beschränkungen wieder gelockert, und so beschlossen Sarah und ich ganz spontan, dass wir eben nur ein Doppelzimmer nehmen und zu zweit fahren würden, als Freunde. Ein Tapetenwechsel würde uns beiden gut tun, sowieso waren wir in den letzten Monaten immer mehr zusammengewachsen. Kein Wunder, wir waren ja auch in einer ähnlichen Lebenssituation: Ich half Sarah beim Umzug, Sie half mir, wir sprachen viel über unsere Trennungen, über unseren Kummer, über unsere Hoffnungen, wir tranken das ein oder andere Bier zusammen und ich stellte bei alldem nicht nur einmal insgeheim fest, dass sie in vielen Punkten besser zu mir gepasst hätte als Janine. Ob Sarah wohl ähnliche Gedanken hatte? Ich fragte mich das nicht nur einmal. Merkwürdig war es allemal. Sie war unglaublich schön, und dennoch hatte ich sie früher nie als potentielle Partnerin wahrgenommen. Wie sehr sich doch die Denkweise verändert, wenn man vergeben ist.

Plötzlich riss mich ein herber Duft aus meinen Gedanken. Es roch herb, intensiv, schwefelig nach Furz, und doch mischte sich eine unverkennbar weibliche, süßliche Note darunter, wie ein fein abgestimmtes, perverses Parfum. Ich wusste intuitiv sofort, dass er von Sarah kommen musste, er roch so..nach ihr? Und doch dauerte es einige Sekunden, bis ich Verstand und Gefühl auf eine Ebene bringen konnte. Nein, er kam definitiv nicht von Draußen, die Fenster waren zu, die Klimaanlage defekt, und ich selbst war es sicher nicht. Ich klammerte mich am Lenkrad fest als wäre es die letzte verbleibende Verbindung zur Realität in einem total verrückten Traum. Selten zuvor war ich so durcheinander wie in diesem Augenblick, obwohl ich mich nach Kräften darum bemühte, so locker und entspannt zu wirken als würde ich gar nichts bemerken, und als würde es mich nicht auf eine sonderbare Art berühren und erregen. Ich drehte mich zu Sarah um, und als hätte es noch einer Bestätigung bedurft wurde sie leicht rot und stammelte ein verlegenes "Tut mir leid". Ich musste grinsen "Schon gut, der musste wohl raus" sagte ich und die Situation lockerte sich ein wenig auf. Ich konnte so gut mit ihr mitfühlen, mir wäre das auch peinlich gewesen. Quatsch eigentlich, wo wir uns doch so gut kannten und es sich um einen total natürlichen Vorgang handelte.. aber dennoch, dieser Augenblick war mehr als nur ein wenig peinlich, er war irgendwie..intim. "Danke" sagte sie "Thomas wäre jetzt wohl ausgerastet."

"Ausgerastet? Wieso das?" Ich kannte Thomas auch lange und habe ihn nie "ausrasten" sehen, ging es mir durch den Kopf.
"Naja er..er konnte damit nie gut umgehen."
"Damit?" hakte ich nach.
"Mhhm." Sarah wirkte unglaublich verlegen, so hatte ich sie noch nie gesehen. Der Verkehr war immer noch so zähflüssig, dass ich wieder abbremsen musste und Zeit hatte, mich auf sie zu konzentrieren. Etwas schien sie zu bedrücken.
"War das ein Thema bei euch?"
"Ja, schon.."
"Willst du darüber reden?"
Jetzt musste Sarah lachen "Dein ernst Jan?"
"Mein voller ernst". Ich sah sie grinsend an "Wenn nicht mit mir, mit wem dann?"
Das schien sie zu überzeugen. Frech entgegnete sie: "Ok, du kannst ja jetzt sowieso nicht weglaufen." Wir beide mussten lachen.

[Jan 31]

"... auf jeden Fall hat es sich dann in unserem letzten Urlaub richtig zugespitzt, weißt du noch, das Hotel mit dem indiskreten Badezimmer? Und von da an war mir eigentlich klar, dass wir keine Zukunft haben würden."

Ich war definitiv in einem verrückten Traum gelandet. In den letzten fünf Minuten hatte mir Sarah erst etwas verlegen, dann immer beherzter und offener von ihrem intimen "Problem" erzählt, so frei heraus, dass ich mir sicher war, dass ihr das schon lange auf der Seele brannte und sie froh um die Gelegenheit war, die sich uns beiden jetzt bot. Ich erfuhr nach und nach, dass sie häufig so stark riechende Blähungen hat und auch mehrmals am Tag derb kacken muss, dass es ihr in sozialen Situationen oft schwer fällt, das vor anderen zu verstecken, und in ihrer Beziehung war das eben nicht mehr möglich. Thomas hatte sich extrem davor geekelt, was sie immer stärker gekränkt hatte und schließlich mit einer der Gründe für das Ende ihrer Beziehung war. Ich war durch und durch überwältigt, was ich da all die Jahre nie gesehen hatte. Ich hätte Thomas nie für so ein Arschloch gehalten, und ich hatte überhaupt keine Vorstellung davon, was es für Sarah für ein Kraftaufwand bedeuten musste, sich immer in Gegenwart von anderen so zusammenreißen zu müssen. Am meisten jedoch war ich bewegt von dem Gefühl in meiner Brust, von der engen Verbindung, der Zuneigung und dem Mitgefühl, den Emotionen die durch mich strömten und die immer stärker wurden mit jedem Wort das sie sprach. Sie schien diese Schwingungen aufzunehmen, ihre Verlegenheit und Scham schien sich langsam zu legen und am Ende legte sie den Kopf auf meine Schulter und sagte leise "Und du findest das ganz sicher nicht eklig?" "Nein, auf keinen Fall Sarah. Im Gegenteil." "Im Gegenteil?" Ihre Augen funkelten mich an.

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Fortsetzung folgt

[bluemoon]

Klingt sehr spannend, ist gut und einfühlsam erzählt. Ich mag es, wenn sie alles schön langsam und medhrschichtig aufbaut Freue mich auf eine Fortsetzung!

[MSascha3]

Da kann ich mich Bluemoon nur anschliessen!! Gefällt mir sehr gut die Geschichte, super geschrieben!! Freue mich auch schon auf die Fortsetzung!

[Deleted User 11479]

Und gerade wenn es spannend wird, kommt die Werbung.

[Jan 31]

Freut mich sehr, dass es euch gefallen hat! Ich hoffe der nächste Teil kann mithalten

"Ich Idiot!" schoss es mir durch den Kopf. Hatte ich im Eifer des Gefechts zu viel gesagt? Auf keinen Fall wollte ich jetzt wie ein Perverser rüberkommen, dafür war mir das Verhältnis zu Sarah über die Jahre viel zu wichtig geworden. Während ich fiebrig überlegte, wie ich mich aus der Nummer wieder herauswinden konnte roch Sarah Ihre Chance zum Nachsetzen: "Jetzt sag schon!" stichelte sie, und mit einem Mal hatten wir die Rollen getauscht und ich war nun derjenige, dem die Schamesröte ins Gesicht schoss. Meine Verlegenheit entging ihr nicht, dafür war sie viel zu schlau. Zu meinem Glück löste sich genau in diesem Moment der Stau auf und mit der Ausrede, mich jetzt wieder auf den Verkehr konzentrieren zu müssen versuchte ich sie zu vertrösten. "Das erzähle ich dir mal in einer ruhigeren Minute, ok?" Sie sah mich mit einem breiten Grinsen an und entgegnete wie aus der Pistole geschossen: "Ich werde dich bei nächster Gelegenheit daran erinnern, versprochen." Für eine ganze Zeit lang saßen wir beide schweigend und grinsend nebeneinander und ich konnte nur ahnen, was wohl in ihrem Kopf vorging. Sarah war anständig genug um nicht noch einmal nachzusetzen, weshalb der Rest der Fahrt oberflächlich betrachtet relativ ereignislos verlief. Wir sprachen über dies und das und freuten uns einfach auf den bevorstehenden Urlaub, doch ohne zu wissen woran ich es genau festmachen sollte hatte ich das Gefühl, dass sich etwas zwischen uns verändert hatte, dass eine Art intime Verbindung entstanden war, die ich so zuvor nie empfunden hatte.

Als wir endlich an unserer Unterkunft ankamen war die Sonne schon untergegangen und es hatte darüber hinaus auch spürbar abgekühlt. Die frische Bergluft tat einfach gut, der Ausblick war fantastisch, nur waren wir beide ziemlich erschöpft von der langen Fahrt. Außerdem hatten wir einen Bärenhunger. So nahmen wir uns nicht viel Zeit um alle Koffer auszuräumen und gaben uns zunächst damit zufrieden, überhaupt erst mal das ganze Gepäck aufs Zimmer zu schleppen. Die Dame an der Rezeption ging ganz selbstverständlich davon aus, dass wir ein Paar sind und ich nahm angenehm überrascht zur Kenntnis, dass Sarah keinerlei Anstalten machte, diesen Irrtum richtig zu stellen. Auch das Zimmer selbst war so kuschelig, dass man es sich nicht mit einem entfernten Freund hätte teilen wollen: Es maß ca. 15 Quadratmeter, hatte einen kleinen Balkon mit Bergblick, ein großes Doppelbett, urig holzgetäfelte Wände, einen Kleiderschrank und ein angeschlossenes kleines Badezimmer mit Dusche, aber ohne Fenster. Sarah schien sich überhaupt nicht daran zu stören, sondern erhob erst einmal Anspruch auf die rechte Seite des Betts, wogegen ich keine Einwände hatte. Nachdem wir das Auto ausgeräumt hatten gingen wir auf direktem Weg in die Pizzaria gegenüber der Unterkunft, die uns bereits bei der Ankunft ins Auge gesprungen war und schlugen uns die Bäuche voll. Wir aßen beide eine üppige Vorspeise, eine große Pizza, ein Eis zum Nachtisch, und auch beim Wein langten wir nicht zu knapp zu. Angenehm gesättigt und beschwippst ging es gegen 23 Uhr zurück aufs Zimmer, wo wir uns direkt aufs Bett fallen ließen. Ich war rundum glücklich, nicht betrunken, aber angenehm betüdelt, satt, zufrieden und außerdem lag ja eine wirklich sehr hübsche junge Frau neben mir, die mich jetzt wieder mit ihren neugierigen Augen zu mustern schien. "Du schuldest mir noch eine Antwort auf meine Frage von heute Nachmittag. Was hast du gemeint mit 'Im Gegenteil'?"

Ich wusste, dass ich mich diesmal nicht rausquatschen können würde, und ein Teil von mir war dafür sogar sehr dankbar. Es war an der Zeit das Thema anzuschneiden, und Sarah hatte auch eine Antwort verdient. Schließlich war sie so mutig und hatte heute selbst einen ersten Schritt gemacht, indem sie mir von ihrem intimen "Problem" erzählt hatte. Aber ich wollte sie noch einen Augenblick zappeln lassen.
"Du lässt nicht locker, was?"
"Jetzt sag schon, du hast es versprochen!"
Mit einem gespielten Augenrollen entgegnete ich "Also gut.. du hast ja recht. Eigentlich gibt es da nicht viel zu erzählen. Es war einfach die Wahrheit. Ich finde deine Fürze nicht eklig, ich mag den Geruch sogar ein wenig. Das ist alles."
"Meine FürzE? Plural?? Es war doch nur einer?!"
Ich wurde rot. Wieder ertappt. Statt irgendetwas zu meinem Geständnis zu sagen hing sie sich am Plural auf und brachte mich dadurch erneut in Verlegenheit. Schulterzuckend gab ich zu "Ja, heute Mittag schon, aber das ist ja nicht der erste gemeinsame Urlaub. Ich hatte so etwas ähnliches bei dir sogar schon vermutet."
"Wie jetzt, du spionierst mir nach?" sagte Sarah mit gespieltem Entrüsten.
Zeit, den Spieß wieder umzudrehen: "Nicht aktiv, aber manchmal bist du einfach nicht zu überriechen meine Liebste."
Für eine Sekunde sah sie mich erschreckt an, dann musste sie selbst laut lachen. "Erwischt. Ich dachte ich wäre diskreter."
"Nicht im geringsten" entgegnete ich grinsend.
"Und das macht dich echt geil?"
"Das habe ich so nicht gesagt!"
"Schon klar." sagte sie mit vielsagendem Lächeln, stand auf und strich mir dabei über den Schritt, wodurch mein Herz sofort einen Satz machte. "Dann brauche ich mich ja jetzt nicht mehr so zusammenzureißen, oder?..." Sie stand auf und ging, ohne eine Antwort abzuwarten, mit einem grazilen Hüftschwung in Richtung Badezimmer.

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Fortsetzung folgt

[bluemoon]

klasse! Du verstehst es, die Spannung bis zur Schmerzgrenze zu steigern
Himmel, ich will weiter lesen!!!

[lunacy]

Klasse Geschichte, freut mich sehr das hier zu lesen. Freue mich auf die Fortsetzung(en)...

[Chris9999]

Würde auch zu gerne die Fortsetzung lesen

[MSascha3]

Habe zum Glück den letzten von Dir erstellten Teil eben erst gelesen, manch einer hier ist ja sogar schon noch länger auf die Folter gespannt Wahnsinn, bin auch ganz angefixt und kann es kaum erwarten wie es weitergeht!!!