Schreiben: Schritt für Schritt zur eigenen Geschichte

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bluemoon
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Schreiben: Schritt für Schritt zur eigenen Geschichte

Beitrag von bluemoon »

Hallo zusammen,

hier wie auch im alten Forum habe ich immer wieder Postings gesehen, in denen zwischen den Zeilen durchklingt, dass jemand schon gerne mal eine Geschichte schreiben würde, es sich aber nicht zutraut.
Sei es wegen schlechter Rechtschreibkenntnisse, oder weil er/sie nicht weiß, wie man es am besten anfängt.

In diesem Thread soll es deshalb ums Schreiben gehen.

Schreiben erfordert Mut und auch ein gewisses Durchhaltevermögen, um die vielen schlechten Erfahrungen mit Deutsch-Aufsätzen aus der Schulzeit zu überwinden und tatsächlich Spaß am Schreiben zu entwickeln.

Schreiben, vor allem das Schreiben von Geschichten, ist kein Hexenwerk.
Schreiben ist wie lesen, bloß vieeeeeel geiler!
Schreiben ist Kopfkino in 3D mit Achterbahn und Public Viewing Schland gegen Brasilien!!

Ganz ehrlich.

Aber backen wir erstmal kleine Brötchen:
Vergleichbar ist das Schreiben mit Musik: Jeder Mensch ist musikalisch und mit etwas Übung können wir alle Spaß daran haben, am Lagerfeuer die Klampfe zu quälen, beim Musikverein ins Horn zu blöken oder - mit etwas mehr Aufwand - ein Stück auf dem Klavier zu spielen.

Genauso ist es beim Schreiben: Die einzige Begabung, die man dazu benötigt, ist die Gabe, Geschichten zu erzählen. Und dieses Talent hat jeder.
Wirklich jeder!
Und jede!!
Lass dir von niemandem etwas anderes erzählen!

Wer sich selbst schon mal bei dem Gedanken ertappt hat, „das würde ich gerne mal aufschreiben“, hat bereits alle Voraussetzungen, um als Autor oder Schriftstellerin begeistert gelesen zu werden.

…und wie ist es mit Rechtschreibung, Grammatik und dem ganzen Gedöns?
Ganz ehrlich: Scheiß drauf!
Zumindest am Anfang.
Ich komme später noch darauf zurück. Hier nur so viel: Es gibt Software, die 80% dieser lästigen Arbeit erledigt.
Und 80%-ige Fehlerfreiheit reicht völlig!


OK, legen wir los: Wie fange ich an?

Wenig überraschend: Am Anfang steht immer eine Idee.
Man hat eine Situation vor Augen, aus der sich etwas entwickeln soll. Oder man kennt schon den Höhepunkt, den die Story später haben soll und überlegt sich die Geschichte, die zu diesem Höhepunkt führt.

Die Idee zur Geschichte „In der Kletterwand“ hatte ich z.B., als ich mit einer Freundin Bergsteigen war und mir vorgestellt habe, wie es wohl wäre, wenn sie hoch oben in der Wand mal aufs Klo müsste. Das klingt genauso banal, wie es tatsächlich ist: Solche Gedanken haben wir ständig, vor allem, wenn uns unser Toiletten-Thema brennend interessiert… :oops:
Der Kniff dabei ist, das Potenzial dieses Gedankens zu erkennen: Außergewöhnliche Situation, prickelnde Gefühle (Scham, innerer quälender Druck) und ein Ort, der auf sportliche, attraktive Akteure schließen lässt. Außerdem gibt es einen Beobachter, durch dessen Augen der Leser in der Ich-Form das Geschehen erlebt.

Jetzt sind wir schon mitten im Geschichtsaufbau, und da wollte ich noch gar nicht hin…


OK: Du hast ne Idee für eine Geschichte - und jetzt?

Als Allererstes: Aufschreiben!
Mach dir eine Notiz, ein Stichwort irgendwohin, schreib dir selbst ne Mail - egal, Hauptsache, du hältst die Idee irgendwo fest, sonst verschwindet sie schneller als ein Furz im Sturm. Ich kenne das aus leidvoller Erfahrung. Zurück bleibt das blöde Gefühl, gerade „die“ geniale Idee gehabt zu haben - nur fällt sie dir nie wieder ein.
Die besten Ideen kommen dir nämlich, wenn du sie am wenigsten brauchen kannst: Im Auto an der roten Ampel, unter der Dusche, auf dem Klo… Das liegt daran, wie unser Gehirn funktioniert, speziell das Unterbewusstsein, aus dem alle kreativen Ideen kommen. Aber diese Erklärung würde hier zu weit führen.

Gut: Du hast gerade ein bisschen Ruhe und plötzlich fällt dir der Fetzen Klopapier ein, auf dem die Stichworte zu deiner Idee stehen. Was jetzt?

Jetzt suchst du dir eine unkomplizierte Schreibmöglichkeit, die dir Spaß macht.
Das kann Papier und dein Lieblings-Stift sein, ein Smartphone, Tablet oder PC, eine edle Kalbsledermappe oder eine Rolle Öko-Klopapier - wichtig ist, dass du dich gerne mit dem gewählten Werkzeug beschäftigst.
Wichtig ist auch, dass es unkompliziert ist: Du willst schließlich schreiben und dich nicht erst damit herumärgern, den PC ans Laufen zu kriegen.
Falls du dich für ein elektronisches Arbeitsgerät entschieden hast, lass erstmal die Finger von Word & Co!
Solche „Schreibprogramme“ bieten zu viel Ablenkung und verleiten dich dazu, mit Formatierungen herumzuspielen, Karl Klammer zu ärgern oder doch noch schnell den Brief ans Amt zu tippen.

Öffne einen ganz simplen Text-Editor, der nicht mehr kann, als ein einfaches Mail-Programm.
Das ist übrigens überhaupt ein sehr brauchbares Arbeitsmittel: Schreibe den Text als Mail an dich selbst und du brauchst dir keine Gedanken darüber zu machen, wie du den Text von einem Gerät aufs andere bekommst, falls du später auf dem Handy oder im Büro weiter schreiben willst.
Der „Editor“ in Windows unter Programme -> Zubehör ist ebenfalls brauchbar oder „TextEdit“ für den Mac.
Zur Not geht sogar der Eingabe-Editor hier im Forum. Dann klicke aber bitte öfter mal auf „Entwurf speichern“, damit deine Arbeit bei einer Unterbrechung nicht in den Orkus entschwindet.


Schreiben: Jetzt geht es endlich richtig los!

Du holst tief Luft, haust in die Tasten, die Muse küsst dich und ohne Pause schreibst du in 48 Stunden eine Neufassung von Wallraffs „Ganz unten“, lehnst dich entspannt zurück und wartest auf den Anruf vom Nobelpreis-Kommittee. So ungefähr stellen sich zumindest viele Menschen das Schreiben vor…

Die Realität sieht natürlich ein bisschen anders aus, fühlt sich aber streckenweise mindestens genauso gut an!
Also: Du fängst einfach an, zu schreiben.
Zuerst ein paar Fingerübungen: „Lalala, HahahahHHA!! Guck ma: Isch bin Schreibsteller. Auto mit r am Ende“ usw.
Du wirst jetzt wahrscheinlich von traumatischen Erlebnissen aus deiner Schulzeit überrollt: „Beschreibe, warum Kunigunde im Werk ‚Käthchen von Heilbronn‘ am Ende der 3. Szene auf der Schaukel sitzen bleibt.“
Huahhh! Schauder!
Dir wären ja damals durchaus ein paar Gründe dafür eingefallen: Weil sie das Höschen voll hatte und die Zeit noch auskosten wollte. Weil Friedeborn unter ihr saß und seine Reitgerte tief in ihre Röcke schob. Weil sie Onkel Theobald in die Rüstung gepieselt hatte und sich nun nicht nach Hause traute (die Dinger waren aber auch sowas von rostanfällig!).
=> Ha, merkst du was? Idee!! Mittelalter-Geschichte mit Ritterrüstung und Schaukel - sofort notieren!

OK, du schiebst die unguten Gedanken an frühere Schreib-Aufgaben energisch beiseite, konzentrierst dich auf deine Notiz „In der Kletterwand“ und beginnst, die Vorgeschichte zu tippen:
„Frü am morgen stehen Gabi und ich auf, kirchen aus dem zelt und blicken zum himml. ein strahlender TAg werwartet uns und uwir freuen uns darauf, ewndlicj den Überhang hoch obern in der Wand zu erklimmen.“

Oh oh, ich kann sehen, wie du die Stirn runzelst: Der Text ist grottenschlecht.
Sterbenslangweilig, voller Fehler, miese Wortwahl usw.
Und ja: Du hast völlig recht!

Aber das spielt in dieser Schreib-Phase überhaupt keine Rolle.
Wenn du jetzt anfängst, Fehler zu verbessern, treffendere Wörter zu finden und mehr Spannung aufzubauen, schmeißt du nach zehn Minuten hin und gibst für alle Zeiten auf.

Schreib stattdessen einfach weiter und sei dir bewusst: Du musst dich erst warm schreiben!
Du wirst den Anfang deiner Geschichte gar nicht korrigieren müssen, weil du ihn später ganz einfach komplett löschen wirst.
Punkt.
Wenn die Geschichte weiter fortgeschritten ist, wirst du den Beginn der spannenden Handlung suchen und genau dort die Story starten lassen. Alles Vorgeplänkel brauchst du dann nicht mehr, damit die Geschichte funktioniert. Und genau darum geht es letztendlich:
Die Geschichte muss funktionieren! Alles andere ist unwichtig.
Nebenbei: Was den Profi vom Amateur unterscheidet, ist, dass der Profi keinen „Anlauf“ braucht. Er hat so viel Übung, dass er direkt mit dem Anfang der Geschichte loslegen kann. Das heißt aber überhaupt nicht, dass seine Geschichte besser wird, als deine, der du einen längeren Schreibanlauf brauchst!

Du schreibst also weiter - womöglich mit dem Ein-Finger-Suchsystem. Macht gar nix. Schreib, wie dir der Schnabel gewachsen ist. Du wirst feststellen, dass dein Geschreibe immer flüssiger wird. Die Sätze werden runder. Dein Erzähl-Stil wird konstanter. Das Erzähl-Tempo pendelt sich ein, unabhängig von deiner Tipp-Geschwindigkeit.
Wenn du ganz viel Glück hast, kannst du jetzt schon einen klitzekleinen Flow erleben: Das Gefühl, dass sich die Story in deinem Kopf auf einmal ganz von selbst entwickelt und du gar nicht so schnell tippen kannst, wie dir die Worte in den Sinn kommen.
Du bekommst vielleicht eine Ahnung davon, wie sich ein richtiger, ein großer Flow anfühlen könnte: Das ist dann wie Gemeinschaftsklo mit Lady Gaga und ihrer Band, zwei Kästen Bier und Hummer mit Champagner zum Nachtisch.

Wenn du später mehr Schreib-Erfahrung hast, wirst du ab und zu einen großen Flow erleben und ab dann bist du schreib-süchtig.
Ein Leser kann deine Geschichte zwar miterleben. Aber er bleibt ein Leser.
Ein Autor dagegen lebt seine Geschichte. Er taucht so tief darin ein, wie es einem Leser niemals gelingen kann. Ein Autor erlebt alle Facetten seiner Geschichte in genau dem Moment, in dem er sie schreibt: Stell dir vor, du wälzt dich mit deinem Partner / deiner Partnerin im Bett und erlebst gleichzeitig deinen eigenen Orgasmus UND den des anderen!

Oft weiss die Autorin / der Autor noch gar nicht, wie die Geschichte weitergeht. Am schönsten ist das Schreiben, wenn man eine Idee als Ausgangspunkt nimmt, zu schreiben beginnt, und die Geschichte einfach entstehen lässt, ohne sich über ein Ziel Gedanken zu machen. Die Akteure entwickeln dabei ein Eigenleben, das du fast nicht mehr steuern kannst. Es kann dir passieren, dass deine Charaktere eine ganz andere Richtung einschlagen, als du dir das vorgestellt hattest. Das kann sehr überraschend sein, zeigt dir vielleicht eine ganz neue Seite an dir selbst. Denn: Losgelöst von dir sind deine Figuren natürlich nicht. Die Geschichte kommt immer noch aus dir selbst heraus - aber evtl. von Bereichen deines Gehirns, zu denen dein Bewusstsein keinen Zugang hat.

OK, bevor ich völlig in psychologisches Schwafeln abdrifte: Schreib einfach weiter. Es kann seine Zeit dauern, aber wenn du es willst, dann klappt das auch. Versprochen!

So, angenommen, du bist jetzt mit deiner Geschichte durch, hast vielleicht ein paar Tage immer weiter dran geschrieben. Es gibt einen Einstieg, die Zuspitzung zu mindestens einem Orgasm… äh, Höhepunkt und einen (ganz kurzen) Schluss.
Jetzt legst du deinen Text erstmal für ein paar Tage weg, guckst ihn nicht an, lässt ihn reifen.
Du hast dir jetzt nach anstrengender Arbeit (das meine ich ernst!) eine Pause verdient: Geh duschen, zieh ggf. ne trockene Hose an.
Wenn du nicht ein paar Tage abwarten kannst: Schreib was neues - z.B. die Mittelalter-Geschichte mit Ritterrüstung. Ich habe immer mindestens 6 bis 8 angefangene Texte rumliegen und bastel nach Lust und Laune mal an der einen oder anderen weiter, oder beginne einfach eine neue.


Gut. Nächste Phase: Erstes Überarbeiten der Story

Allerfrühestens jetzt kommt das Thema Rächtschreibung und Gramahtik ins Spiel. Und das auch nur, wenn dich deine Tippfehler nerven und du es nicht aushältst, nicht zu wissen, ob man das Ding "Rüthmus" oder "Rhitmus" schreibt.
Wenn du aber damit leben kannst, schieb das Thema noch ein bisschen vor dir her!

Falls nicht, klatsche deinen Text mit Copy & Paste in Word rein, oder in LibreOffice Writer (ist kostenlos, funktioniert genau wie Word). Jetzt siehst du deine Rechtschreibfehler, den ein oder anderen Grammatik-Schnitzer. Profis nehmen teure Software (z.B. Papyrus Autor, ca. 180,- EUR) mit integriertem Duden. Das Programm erkennt auch Wortwiederholungen, bemängelt Phrasen, hat eine ausgefeilte Grammatik-Prüfung und kann sogar Kommas (Kommata? Kommatata?) richtig setzen.
Ist aber für unsere Zwecke nicht nötig. Leser tolerieren viele Fehler, solange das Thema ihr Interesse trifft und auch wenn die Akteure in deiner Geschichte statt Komasaufen die Kommas saufen.

Nun geht es an wirklich Wichtiges: Lies deine Geschichte immer wieder durch, vielleicht sogar laut. Ich weiss: Den Flow kriegst du beim Lesen nicht mehr, den gibt’s nur beim Schreiben. Trotzdem: Wenn du an einer Stelle beim Lesen stolperst, dann stolpert hier auch dein Leser. Stimmt der Fluss? Werden die Sätze in spannenden Szenen zu langatmig? Gibt es nicht auch andere Möglichkeiten, als ständig „sagte sie“ zu schreiben? Oder „flüstert“ er bei jeder Gelegenheit? Vielleicht sollte er zwischendurch auch mal wispern, raunen, hauchen, …

Gut, jetzt noch ein Schritt, der weh tut, wie oben schon angedeutet: Was ist überflüssig?
Alles, was die Geschichte nicht voranbringt, muss gnadenlos weg! Dass die beiden Kletterer morgens aufstehen, braucht nicht erwähnt zu werden - allenfalls interessiert es, wenn sie stattdessen noch ein bisschen liegen bleiben ;) Der ganze Bereich des „Warmschreibens“ (s.o.) ist Ballast. Eine Kurzgeschichte (von dieser Gattung reden wir hier literarisch gesprochen die ganze Zeit) funktioniert am besten, wenn sie mitten in der spannendsten Situation startet. Alles, was der Leser wissen muss, baut man von da an nebenher ein: Dass Gabi offenbar Bauchweh hat, interessiert den geneigten Leser unseres Special Interest erst einmal und weckt Erwartungen. Dass das Bauchweh an einer Felswand 200 Meter über einem Abgrund stattfindet, überrascht und fasziniert ihn (hoffentlich). Der Leser kann gar nicht mehr anders, als weiterzulesen.
Außerdem hat er sich auf die Story eingelassen, weil er erwartet, einen saftigen Porno serviert zu bekommen - und ein Autor darf niemals seine Leser enttäuschen.

So, der Anfang ist zurechtgeschnitten. Wie sieht es mit dem Schluss aus? Manche Autoren (auch viele Profis) finden einfach kein Ende. Obwohl schon alles vorbei ist, fällt ihnen ein, dass der Jüngling ja einen spärlichen Bartwuchs hat. Und das Mädel hatte früher schon mal eine Beziehung, die aber wegen der bösen Freundin … usw.
Du verstehst, was ich meine? Wenn eine Geschichte zu Ende ist, dann ist sie auch zu Ende. Punkt.
Falls dir noch hundert Details einfallen, die du unbedingt irgendwo unterbringen wolltest: Das ist eine perfekte Grundlage für eine neue Geschichte - oder eine Fortsetzung der abgeschlossenen!

Der Schluss ist jetzt also auch gestutzt. Damit haben wir einen Rohling vor uns, der schon gut die Form seiner Vollendung erahnen lässt.
Bei einem Holzbildhauer ist das die Phase, in der er das Beil zur Seite legt und zur Arbeit mit dem Schnitzmesser übergeht.
Jetzt kommt der Spannungsbogen unter die Lupe: Gibt es hier Überflüssiges? Dann weg damit. Geht es zu schnell? Kann ich den Höhepunkt noch etwas hinauszögern? Das ist kritisch und muss genau wie im realen Leben genau abgestimmt sein: Die herrlich unerträgliche Spannung vor dem Orgasmus möglichst ausdehnen - aber nicht so weit, das das beste Stück wieder erschlafft, oder sie sich zwischendurch gelangweilt eine Zigarette ansteckt. Timing ist alles. Du spürst beim (laut) Lesen, ob es passt.

In der letzten Überarbeitungs-Phase legst du das Messer weg und nimmst das Schleifpapier, um beim Beispiel des Bildhauers zu bleiben: Jetzt kannst du einzelne Wörter untersuchen: Ist der Ausdruck zu stark? Wenn sie zum ersten Mal seinen Penis berührt und er losbrüllt: „JA, JA, NIMM MICH! ICH KOMME!“ dann ist das noch ein bisschen früh, wirkt übertrieben und der Leser überlegt, ob der arme Kerl vielleicht besser zu einem Therapeuten gehen sollte. Umgekehrt kann der Ausdruck auch zu schwach sein: Wenn sie zuckt und schäumt, die Säfte fliessen und sie in Ekstase stöhnt: „Ja, ist ganz OK so, mach ruhig weiter“, dann stimmt auch etwas nicht.

ABER: Man kann eine wunderbar gelungene Geschichte auch verschlimmbessern oder sogar kaputt korrigieren. Passiert leider immer wieder. Einen Perfektionsanspruch solltest du aufgeben, wenn du nicht den Literaturnobelpreis abstauben willst (und diese Werke liest doch eh keiner, oder?). Wenn du zu viel daran herum feilst, wird die Geschichte technisch vielleicht besser. Aber sie verliert an Spontaneität und Frische. Und das ist im Zweifel mehr wert, als Perfektion.

Gut. Vorletzter Schritt: Rechtschreib- und Grammatikprüfung

Wenn du meinem Rat gefolgt bist und das bisher noch nicht gemacht hast, ist jetzt die Zeit für eine Überprüfung in Word & Co. Falls du das bereits wie oben beschrieben durchgeführt hast, schadet es nichts, die Rechtschreibprüfung noch mal durchlaufen zu lassen.

Jetzt endlich fertig?
Fast. Du wirst dich sicher nicht dran halten, aber ich sage es trotzdem: Lass die Geschichte noch mal ein paar Tage ruhen! Vielleicht sogar ein paar Monate.
Dann lies sie ein letztes Mal durch und prüfe, ob du nicht aus Versehen irgendwo deine Adresse oder Steuernummer reingeschrieben hast und stelle sie online.

Jetzt darfst du dich stolz zurücklehnen: Herzlichen Glückwunsch!
Du bist kein Autor mehr, sondern Schriftsteller/in!


Ach ja, wenn du irgendwo nicht weiterkommst, etwas genauer erklärt haben willst, oder du eine ganz konkrete Frage zu deinem Text hast: Lass hören! Wir sind eine kleine Familie hier und jemand von den erfahreneren Schreiberlingen wird dir gerne helfen.

Ich wünsche dir viel Spaß und Freude beim Schreiben und wir alle hier sind gespannt auf deine Geschichten!
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coopro
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Re: Schreiben: Schritt für Schritt zur eigenen Geschichte

Beitrag von coopro »

Exzellenter Beitrag! Dafür wird das von mir zur Bekanntmachung erhoben.

Mir ist es bei meiner Geschichte Karo im Windschutzgürtel ganz genau so gegangen wie Du es hier beschreibst.

Ich hoffe das ist nicht nur für mich so motivierend ;)

Danke bluemoon!
aktiver
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Re: Schreiben: Schritt für Schritt zur eigenen Geschichte

Beitrag von aktiver »

ich lese mich mal hier ein ,
hoffe ich bekomm das auch so gut hin wie viele hier
TheMagician97
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Re: Schreiben: Schritt für Schritt zur eigenen Geschichte

Beitrag von TheMagician97 »

Danke für die Tipps! Besser hätte man es nicht machen können.
Benutzer 7125 gelöscht

Unterschiedliche Erwartungen

Beitrag von Benutzer 7125 gelöscht »

Der Threaderöffner hat nach meinem Dafürhalten enorme Erfahrungen beim Schreiben gesammelt. Der Text ist auch nach vier Jahren sehr lesenswert und hilft nicht nur in diesem Forum beim Schreiben, wenn man möglicherweise aus der Übung gekommen ist.

Wenn man an mögliche Leser denkt und nicht nur allein von den eigenen Vorlieben bei diesem Thema ausgeht

(und nicht gleich überlegt, ob es jetzt heißen soll: "potentielle" Leser oder "potenzielle" und was jetzt alte oder so (!) genannte ungeliebte neue Rechtschreibung sein soll, woraus sich mittelbar auch auf das Alter des Schreibers schließen lässt, Himmel, was ist das denn, was sind denn das jetzt für Gedankenketten, is hier n' Lehrer oder was !! :roll: ich bin keiner; alles Beispiele dafür, wie man sich beim Schreiben enorm verzetteln kann, wie das im Eingangsbeitrag so schön demonstriert wird)

wird man merken, dass es hier verschiedene Gruppen möglicher Leser oder auch Leserinnen gibt.
Es entwickeln sich sogar Meinungsverschiedenheiten über angebliche oder wirkliche Geschlechtszugehörigkeiten. Das ist m. E. auch völlig verständlich, handelt es sich doch bei vielen Lesern um Beziehungen dieses im Normalleben für "abartig" gehaltenen Rahmenthemas zur Sexualität. Mitunter schlüpfen User in die Rolle des anderen Geschlechts, das wäre auch "normal" und verständlich, weil man ja vielleicht in das Kopfkino dieses unbekannten Wesens des anderen Geschlechts eindringen und dabei hier auch einmal einfach "spielen" will. Und dann erkennt man möglicherweise auf Anhieb in dem angenommenen "Mädchen" auf Anhieb den Mann, weil der sich schnell verrät. ;)

Und da will ich mal - vorläufig, hypothetisch - die folgenden Lesergruppen unterscheiden:

1. männlich (selbstverständlich in der Überzahl) - weiblich; heterosexuell - homosexuell, und

2. jene, die die Ausscheidungen wirklich real vor sich sehen, sie beschreiben, Bilder und Videos davon ins Netz stellen, da ist oft auch die Lust am Ausscheiden im Spiel, die Freude darüber, dass es endlich geklappt hat und welche Mittel dazu in Anwendung gebracht werden können, usw.

und jene, die das eigentlich gar nicht wissen wollen, für die alles am liebsten ungesehen sofort im Klo verschwindet, die aber ihr Kopfkino anwerfen, um sich die Not der Bedrängten oder die Überraschung der unerwartet von einem "Unfall" Überraschten lebhaft vorzustellen. Und dann können noch andere Fetische ins Spiel kommen, Windeln, Wäsche oder was es da noch so alles gibt.

3. es gibt möglicherweise Leute mit Humor und Ironie, andere fühlen sich eher bedrängt und möchten sich einmal von Sorgen befreien und "los"schreiben, sie werden eher ernst daher kommen.

Können die einen die anderen verstehen?

Versuche ich einmal, Nr. 1 und Nr. 2 irgendwie zu kombinieren.

Es kann die Situation eintreten, dass diese beiden Welten schwer in Übereinstimmung zu bringen sind. Diejenigen, die die reale Freude am Klogang verspüren, können sich vielleicht nicht vorstellen, dass das Kopfkino bei anderen nur alle möglichen merkwürdigen Phantasien erzeugt, der "normale" Stuhlgang an sich aber gar nicht interessant ist. (wenn ich von mir ausgehe: ich hatte seit mehreren Jahrzehnten an keinem Tag Verstopfung, kenne diese Not überhaupt nicht, wohl aber wiederum sehr gut das Gegenteil, mit allen Folgen für Geschwindigkeiten, Sauberkeit usw.!)

Als Mann kann ich mir beispielsweise nur schwer vorstellen, dass eine Frau derartige Kopfkino-Phantasien und Fetische entwickelt hat wie "unsereiner". Vielleicht ist es für einige wenige Frauen oder Mädchen durchaus lustvoll, sich heimlich nasszumachen (Omorashi-Thema). Bei entsprechenden Filmen dürfte aber überwiegend das Honorar, die schnöde Realität des Geldes eine Rolle spielen.
Homoerotische Empfindungen kann ich nicht nachempfinden, toleriere sie aber als selbstverständliche Realität, jeder soll davon träumen und dies einvernehmlich umsetzen, wonach ihm ist.

In der frühkindlichen Phase sind wir sehr früher Sauberkeitserziehung begegnet, die vorwiegend von Frauen ausging. Daher mögen schon viele der Themen für entsprechende Phantasien herkommen. Ich kann mich beispielsweise noch daran erinnern, dass mir als kleinem Jungen im Alter von vielleicht fünf Jahren häufig die Mädchen als Vorbild hingestellt wurden, wie sauber und ordentlich sie sind.
Klar, dass dann in diesem Alter heimliche Schadenfreude einsetzte, wenn auch mal einem Mädchen etwas danebenging, und ich schon sehr früh, schon in diesem Alter, auf die Wäsche des anderen Geschlechts neugierig wurde, als sexuelle Themen überhaupt noch keine Rolle spielen konnten Frühkindliche Sexualität im Sinne der der geschlechtsreifen Erwachsenen gibt es für meine Begriffe nicht (auch wenn Freud und Freunde damals etwas anderes hineinphantasierten), daher unterstütze ich alles, was so ein Forum von den möglicherweise strafbaren Zonen des Kinderthemas strikt fernhält - im Zweifelsfalle immer hinaus damit.
Etliche der anderen Männer und wahrscheinlich alle Frauen wird so etwas aber überhaupt nicht interessieren oder eher abstoßen. Die meisten Frauen werden wahrscheinlich peinlich berührt und es eklig finden, wenn etwas unabsichtlich in die Hose geht und bei Männershorts nur denken: wie kriege ich jetzt die Flecke wieder heraus! (Rollenklischee an ;) ich wasche alles selber, auch für Frauen). Es mag Mangel an Liebe oder aber auch möglicherweise ein Übermaß an Fürsorglichkeit im frühkindlichen Alter eine Rolle spielen, wenn das Thema im Erwachsenenalter wieder hochkommt. Ein Kind kann traurig sein und macht sich in die Hose, um dann Zuwendung zu bekommen, jedoch die Erfahrung, dass es dann bloß wegen der Mühen beim Säubern ausgeschimpft wird.
Später stellt sich der Erwachsene vielleicht eine liebevolle Mutter oder andere Frau vor, die das überhaupt nicht schlimm findet oder sogar dazu ermuntert, einfach los und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
So etwas gibt es ja auch in der Realität! In den Großstädten gibt es durchaus Möglichkeiten, im Erwachsenenalter sexuell aufgeladene Träume um das Thema - gegen Bezahlung natürlich - in die Realität umzusetzen. Diejenigen, die so etwas anbieten, können gute Erfahrungen im Rollenspiel mitbringen, und die Phantasien recht realitätsnah umsetzen, mit entsprechender Verkleidung als Mutter, Krankenschwester, Lehrerin usw.

Da würde doch nie eine Frau hingehen! Und klar, das jetzt etliche Männer sofort diese Möglichkeit für sich ablehnen würden: das ist ja nichts weiteres als Prostitution! Wer so etwas mit solcher Hilfe umzusetzen versuchen solte, würde auch sicher einen "Kater" erleben: das war jetzt doch nicht so schön, wie ich mir das vorgestellt habe, und das ist immer so, wenn Geld im Spiel ist. Es gibt ja in neuester Zeit entsprechende, sehr populäre Filme mit Dominas und Unterwerfung; unser Thema wäre für die meisten Zuschauer eine eher kuriose und sehr seltsame Variante.

Ich komme zurück zum Schreiben. Das ist, wie der Autor des Eingangsthread zeigt, oft eine Art der ... , ja nennen wir es so, der sexuellen Selbstbefriedigung. Da entstehen mitunter sehr schöne Texte, ich will jetzt nicht die Namen nennen, aber wer so etwas gemacht hat, weiß sofort, wer gemeint ist.

Das hat auch mit dem Umgang mit der Sprache zu tun: die einen phantasievollen Schreiber mit Liebessehnsucht und "Kopfkino" vermeiden tunlichst deutliche Benennungen von Fäkalien, Ausscheidung und deren realistische Beschreibung, sondern umschreiben sie lieber und beschreiben eher die heimlichen Tabuübertretungen, andere berichten mit Freude über ihre Ergebnisse bei alltäglichem Tun auf dem Klo.

Beides ist völlig normal und legitim in einem solchen Forum, lässt sich aber schwer als Schnitt"menge" (oh, wie kann man sich denn das wieder bildlich vorstellen!) in Übereinstimmung bringen.
Und bei den hier schreibenden Frauen - ich bin überzeugt, dass es hier einige gibt - ist es vielleicht die heimliche Lust, hier endlich einmal anonym etwas zu einem Thema aufzuschreiben, das uns täglich begegnet, über das man aber nicht spricht, nicht einmal mit dem eigenen Partner?
Ich weiß nicht, können sich die hier schreibenden Frauen vorstellen, was ich mit dem ganzen Wust in etwa meine?

Auch ein überaus langer Text! Sicher werden aber etliche etwas herausfinden, was sie in diesem Zusammenhang auch beschäftigt.
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